Schleierlegende

Gründungsgeschichte des Stiftes Klosterneuburg nach Matthias Fuhrmann 1735

Dann als dieser H. Marggraf mit seiner frommen Gemahlin im Schloß auf dem Gallen-Berg unter einem Fenster sich dißfalls unterredete, sihe! da ward urplötzlich bey heiterem Himmel durch Göttliche Anordnung der Tugendsamen Fürstin Agnes, durch einen unverhofften Wind der Schleyer vom Haupt hinweg gerissen, und vor beyder Augen in das nächst an der Donau liegende Gebüsch und Waldung fortgetragen. So geschehen im ersten Jahr ihrer Vermählung 1106. Im 9ten Jahr hierauf, als Leopoldus einsmals um diese Gegend jagete, und die Jagd=Hund ein grosses Bellen hatten, und er diesen begierig zueylte, fand er nicht ohne höchste Verwunderung in dem Gesträuß auf einem Holder=Baum, den verlorenen Schleyer seiner Gemahlin, welcher biß zu der Zeit so viel Jahr in Regen, Schnee, und allen Ungewitter wundersam ganz unversehrt hangen geblieben. Durch welche  Erfindung Leopoldus, als ein vom  Himmel gegebenes Zeichen, erkennet, daß dieser Ort zur Erbauung seines vorhabenden Gottes=Hauß und Closters von Gott gewidmet seye.

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Rueland Frueauf (ca. 1470-1545) "Auszug des Hl. Leopold auf die Jagd". Klosterneuburg, Leopoldaltar.

Schleierlegende

erzählt von Anton Ziegler 1848

Bald nach seiner Vermählung mit der kaiserlichen Agnes, stand Leopold IV. mit ihr an einem der hohen, vorspringenden Bogenfenster der neuen Markgrafenburg. Der Wind riß den Schleier vom Haupte der Fürstin, und wehte solchen weithin über das tiefe Tal nach dem dunklen Forst. Auf der Jagd fügte es sich aber, daß die Hunde an einer Stelle heftig bellten, und dadurch die Aufmerksamkeit des Markgrafen Leopold dahinlenkten. Da er sich nun der Stelle näherte, fand er auf einem Holunderstrauche den Schleier der Fürstin, schön und unversehrt, wie er ihr vom Haupte durch einen Windstoß weggeweht ward. Leopold IV: der sich ohnehin schon immer mit dem Gedanken beschäftigt hatte, in der Nähe seiner Hofburg ein Stift zu begründen, fand nun darin einen göttlichen Fingerzeig, daß er an der Stelle, wo er den Schleier wieder gefunden, ein Kloster bauen solle, was auch geschah. Dieses ist der Ursprung von Klosterneuburg.

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Jakob Maria Schall 1692
"Schleierfindung"

 

Rueland Frueauf
"Auffindung des Schleiers"

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